Berner Beatles-Kenner: «Das ist ein Etikettenschwindel»

«Schon wieder der letzte Song? Schon wieder eine Leiche aus dem Keller gezogen?» Das war Sam Mumenthalers erste Reaktion auf die Ankündigung des neuen Beatles-Songs «Now and Then» – Jahrzehnte nach der Auflösung der britischen Erfolgsband. Mumenthaler ist Popchronist, Musiker und Beatles-Kenner.

So entstand «Now and Then»

«Now and Then» ist wie folgt entstanden: Bis zu seinem Tod – er kam bei einem Attentat ums Leben – wohnte John Lennon (1940-1980) in New York, wo er mit «Now and Then» einen «letzten» Beatles-Song aufnahm. Doch der Song verschwand schnell wieder in der Schublade. Erst 1994 schenkte Lennons Witwe Yoko Ono Paul McCartney eine Kassette mit der Notiz «For Paul». Neben «Now and Then» waren auf dieser auch Demoversionen von «Free As a Bird» und «Real Love».

Während die letzten beiden dieser Songs später von Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison fertiggestellt und mit der «Beatles Anthology» veröffentlicht wurden, blieb «Now and Then» unangetastet. Die Technik war schlicht noch nicht weit genug entwickelt, den Gesang von der Pianospur zu trennen. Das ist heutzutage jedoch dank Künstlicher Intelligenz möglich.

Neuer Song der Beatles stimmt Fan skeptisch 

Für Sam Mumenthaler ist klar: «Das ist kein Produkt der Band. Es handelt sich dabei um einen Etikettenschwindel.» Zum Zeitpunkt der Demo habe es die Band schliesslich nicht mehr gegeben, das Verhältnis unter den ehemaligen Mitgliedern sei angespannt gewesen. «Ob John Lennon je eine Beatles-Reunion wollte, ist völlig strittig.»

Immerhin gebe es darauf eine Tonspur von George Harrison, weshalb man den Song immerhin als «Beatles-Aufnahme» bezeichnen könne, so Mumenthaler.

Trotz der Skepsis freut er sich auch auf die Veröffentlichung. «Ich könnte mir vorstellen, dass der Song ein Ohrwurm wird.» Auch wenn «Now and Then» kein Beatles-Song im klassischen Sinne sei, könne dieser dennoch überzeugen. «Da floss viel Energie und musikalisches Know-how rein», sagt er.

Angepriesen wird das Lied als «The Last Beatles Song». Mumenthaler glaubt allerdings nicht, dass es sich dabei um das letzte Lebenszeichen der Band handeln wird. «Sie werden noch andere Sachen bearbeiten», sagt er. «Der Kreativität mit kommerziellem Hintergrund sind da keine Grenzen gesetzt.»

Für das Kommerzargument spreche auch Folgendes: Kurz nach «Now and Then» erscheinen zwei neue Best-of-Alben: ein rotes für die Jahre 1962-1966 und ein blaues 1967-1970.