An der Front

Kriegsfotograf Alex Kühni: «Es braucht viel Vorbereitungszeit»

· Online seit 02.03.2024, 13:22 Uhr
Seit über zwei Jahren herrscht in der Ukraine Kriegszustand. Neben den bekriegenden Fronten sind auch Journalisten vor Ort, die über die Zustände berichten. Einer von ihnen ist der renommierte Kriegsfotograf Alex Kühni. Er erzählt uns exklusiv von seiner Arbeit und seinen Eindrücken in den Krisengebieten.
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Der Berner Fotograf Alex Kühni (*1982) ist seit über zwei Jahrzehnten Fotograf, seit zehn Jahren fotografiert er auch die Ausnahmezustände in Krisengebieten. Er bereiste zwischen 2015 und 2019 wiederholt Syrien und den Nordirak, um über den Kampf gegen die Terrororganisation IS zu berichten. Auch während des Russisch-Ukrainischen Krieges war er vor Ort und hielt seine Eindrücke fest. Für seine Arbeit gewann Kühni unter anderem 2018 und 2023 den 1. Platz beim Swiss Press Photo Award in der Kategorie «International». Im Jahr 2023 wurde er von Swiss Press zudem zum «Photographer of the year» gekürt.

Alex Kühni, wie kommt man dazu, Kriegsfotograf zu werden?

Die Kriegsfotografie vereinigt verschiedene Interessen. Einerseits ganz klar die Fotografie – ich habe schon immer sehr gerne Bilder aufgenommen. Andererseits sind Konflikte etwas, das ich interessant finde. Auch kann ich meine Leidenschaft für Kultur und Reisen mit diesem Job verbinden.

Wie muss ich mir Ihren Alltag vorstellen?

Ich mache nicht nur Kriegsfotografie, sondern auch Reportagefotografie. Das ist der Fokus – vor allem bei meiner Pressearbeit zum Krieg. Es braucht viel Vorbereitungszeit, um in ein Kriegsgebiet zu kommen. Nehmen wir das Beispiel ukrainische Front, an der gekämpft wird: Man muss sehr viele Abklärungen tätigen und sehr viel Wissen mitbringen. Vor Ort versuche ich dann möglichst das Tageslicht zu nutzen, um Geschichten und Bilder zu machen.

Seit zehn Jahren arbeiten Sie als Kriegsfotograf. Was war aus Ihrer Sicht die bisher gefährlichste Situation, die Sie erlebt haben?

Im Krieg gibt es viele Dinge, die man nicht voraussehen kann. In der Ukraine wird man sehr oft von der Artillerie beschossen. Man kann es nicht voraussehen, sondern hört es und dann gibt es Einschläge um sich herum. Ich war vorher in einem anderen Kontext in Syrien, dort gab es Situationen mit Selbstmordanschlägen und mit Autobomben, die manchmal ein gewisses Risiko hatten.

Wie verarbeiten Sie diese Eindrücke, die Sie vor Ort erleben?

Ich glaube, man muss mit der Zeit eine gewisse Distanz aufbauen zu dem, was man sieht. Dass man bereits vor Ort ist und fotografiert, hilft ein bisschen. Die Kamera kann als Filter zur Realität wirken. Wenn man durch den Sucher schaut, sieht man die Situationen nur noch zwei- statt dreidimensional. Zudem ist es auch eine gewisse Erfahrung, die man dabei entwickelt. Aber es gibt manchmal Dinge, die einem trotzdem nahegehen.

Was waren Ihre persönlichen Eindrücke vom Krieg in der Ukraine?

Ich glaube, wenn man die Kriegsberichterstattung verfolgt, hat man oft das Gefühl, dass ein ganzes Land im Kriegszustand ist und an jedem Ecken geschossen wird. In der Ukraine ist das nicht der Fall. Es gibt Grossstädte, bei denen der Sirenenalarm ertönt und es zwischendurch Bombardierungen gibt, aber das Leben geht normal weiter. Es ist oft sehr düster an diesen Orten an den Frontabschnitten.

Gibt es ein Erlebnis aus der Ukraine, welches Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Solche Situationen gibt es immer wieder. Das letzte Mal, als ich in der Ukraine war, wurde ein Hochhaus von einer russischen Rakete getroffen. Vor dem Wohngebäude stand eine ältere Frau, die weinte und wartete. Meine Übersetzerin hat dann mit ihr gesprochen. Sie erzählte ihr, dass ihr Sohn und ihre Enkeltochter im Alter von fünf Jahren im Haus seien. Sie würde nun dort warten, bis ihre Leichen geborgen würden. Die Bergung dauerte drei Tage.

Was ist das Ziel Ihrer Arbeit? Was möchten Sie mit den Bildern erreichen?

Ich mache Reportagefotografie. Wenn sich Menschen für die Konflikte interessieren, muss jemand vor Ort hingehen und über die Situation berichten. Diese Möglichkeit biete ich als Journalist an. Allerdings kann ich auch nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die Kriegsbilder nicht anschauen können. Aber ich möchte die Möglichkeit geben, dass man die Bilder sehen kann, wenn man sich dafür interessiert.

Wie lange muss man sich auf einen solchen Einsatz in einem Kriegsgebiet vorbereiten?

Das ist sehr unterschiedlich, je nachdem, wie gut man das Netzwerk bereits aufgebaut hat. Ich war mehrmals in der Ukraine. Da wird die Vorbereitungszeit immer kürzer, weil ich Leute vor Ort habe, denen ich vertrauen kann und die wissen, wie ich arbeite und nach was und welchen Bildern ich suche. Allerdings muss ich mich sehr stark in diese Konflikte einlesen. Ich erinnere mich, dass ich in den Jahren 2015 und 2016 lange im Irak gearbeitet habe. Ich bin nicht wirklich gläubig, aber ich habe damals den Koran gelesen. Das gab mir dann den Zugang zu den Leuten. Ich konnte bei vielen Dingen mitdiskutieren und konnte korrekt verstehen, was sie wollten.

Gibt es etwas, was Sie anderen Leuten mit auf den Weg geben möchten, was Sie bei Ihrer Arbeit gelernt haben?

Das ist schwierig. Ich möchte nicht sagen, dass ich in Kriegsgebieten war und jetzt allen berichten will, wie die Welt aussieht. Ich kann nur Sachen erzählen, die ich für mich selbst gelernt habe. Wenn man in der Schweiz aufwächst, vergisst man oftmals, dass wir die grosse Ausnahme sind oder anders gesagt, dass wir den Lotto-Sechser gemacht haben. Wir leben in einer sicheren und korruptionsfreien Welt. Dies wird einem manchmal auch bewusst, wenn man in anderen Ländern unterwegs ist. Oft ist das Leben der Leute im Ausland schwieriger zu regeln als hierzulande.

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veröffentlicht: 2. März 2024 13:22
aktualisiert: 2. März 2024 13:22
Quelle: PilatusToday

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