Moskau

Nach Anschlag bei Moskau – Hauptverdächtige zum Verhör in Moskau

23.03.2024, 20:16 Uhr
· Online seit 23.03.2024, 06:47 Uhr
Nach dem Anschlag bei Moskau auf eine Konzerthalle hat es nach Angaben des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB bisher elf Festnahmen gegeben. Vier der Festgenommenen sollen direkt an dem Angriff auf das Veranstaltungszentrum beteiligt gewesen sein. Sie wurden am Samstagabend zum Verhör nach Moskau gebracht.

Quelle: Reuters / CH Media Video Unit / Linus Bauer

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Nach dem Anschlag auf das Veranstaltungszentrum Crocus City Hall bei Moskau ist die Zahl der Toten laut Behörden auf 133 gestiegen. Beim Wegräumen der Trümmer in der Konzerthalle des Zentrums hätten Einsatzkräfte weitere Leichen gefunden, teilte das Moskauer Ermittlungskomitee am Samstag bei Telegram mit. Die Suche nach möglichen weiteren Opfern dauere an, hiess es.

Zuvor hatten staatliche Medien von 143 Toten berichtet. Offiziell bestätigt war das zunächst nicht. Das Ermittlungskomitee hatte am frühen Nachmittag von 115 Toten berichtet und auch mitgeteilt, dass die Zahl womöglich noch steigen werde.

In dem grossen Konzertsaal der Crocus City Hall mit Tausenden Plätzen hatten am Freitag Täter offenbar wahllos auf Besucher geschossen. Menschen, die um ihr Leben rannten, und Verletzte berichteten in sozialen Netzwerken von vielen Opfern. Zudem gab es Explosionen in dem Gebäude und einen Grossbrand.

Die vier Hauptverdächtigen sind am Samstagabend zum Verhör in die russische Hauptstadt gebracht worden. Wie die Staatsagentur Tass weiter berichtete, waren die vier Männer in einer streng abgesicherten Wagenkolonne aus der Region Brjansk im Süden des Landes, wo sie festgenommen worden waren, zum sogenannten Ermittlungsausschuss gefahren worden. In den kommenden Tagen solle vor Gericht ein Antrag auf Haftbefehl gestellt werden. Ihnen allen drohe eine lebenslange Haftstrafe, hiess es bei Tass weiter. 

Terroranschläge vorausgesagt

Die russischen Behörden machten auch am Morgen zunächst weiter keine Angaben zu möglichen Hintergründen der Tat. Auch zu einem Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat gab es keine Bewertung von offizieller russischer Seite. Die Terrorermittlungen dauerten an, hiess es. Westliche Botschaften hatten zuletzt vor Terroranschlägen in Moskau gewarnt. Der Kreml hatte dies als Provokation des Westens bezeichnet.

Die Lage an der Crocus City Hall war am Morgen unterdessen ruhig. Einsatzkräfte löschten Glutnester nach dem Grossbrand, wie die Feuerwehr mitteilte. Nach dem kompletten Löschen sollten die Trümmer des eingestürzten Daches der Konzerthalle beseitigt werden. Polizei, Nationalgarde und Ermittlungskomitee nahmen die Schäden auf und sicherten Spuren.

Russisches Parlament droht mit Vergeltung

Russlands Präsident Wladimir Putin liess sich nach Kremlangaben «seit der ersten Minute» über die Geschehnisse informieren. Er erhalte über die entsprechenden Dienste ständig alle wichtigen Informationen über das Geschehen und die eingeleiteten Massnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

Die Chefin des Föderationsrats, dem Oberhaus des russischen Parlaments, Valentina Matwijenko, drohte den Drahtziehern des Anschlags mit Vergeltung. «Diejenigen, die hinter diesem fürchterlichen Verbrechen stehen, werden die verdiente und unausweichliche Strafe dafür erhalten», schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal. Der Staat werde zugleich alles tun, um den Hinterbliebenen zu helfen, kündigte sie an.

Zusammenhang mit der Ukraine?

Das ukrainische Aussenministerium wies den Verdacht einer ukrainischen Verwicklung zurück. Die USA mahnten in einer ersten Reaktion ebenfalls an, keinen Zusammenhang mit der Ukraine herzustellen. «Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer mit den Schüssen zu tun hatten», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington. Man könne noch nicht viel zu den Details mitteilen, rate aber zu diesem frühen Zeitpunkt eindringlich von der Annahme ab, dass es eine Verbindung zur Ukraine gebe. Das US-Aussenministerium riet amerikanischen Staatsbürgern vor Ort, grosse Menschenansammlungen zu meiden.

Die Europäische Union verurteilte den Angriff. Die EU sei schockiert und entsetzt, schrieb EU-Kommissionssprecher Peter Stano auf der Plattform X. Die EU verurteile jegliche Angriffe auf Zivilisten. «Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern.» UN-Generalsekretär António Guterres und der UN-Sicherheitsrat verurteilten den Anschlag ebenfalls.

Das Auswärtige Amt schrieb auf X von einem «furchtbaren Angriff auf unschuldige Menschen». Die Hintergründe müssten rasch aufgeklärt werden. «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer», hiess es weiter. Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach ebenfalls auf X von einem «feigen Angriff auf Menschen, die einfach nur Musik hören wollten».

Alle Theater und Museen in Moskau geschlossen

Als Konsequenz des Anschlags bleiben am Wochenende alle Theater und Museen in Moskau geschlossen, darunter weltberühmte wie die Tretjakow-Galerie und das Puschkin-Museum. Zuvor hatte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin gesagt, dass alle Grossveranstaltungen in Europas grösster Stadt abgesagt seien. Auch im Moskauer Umland sagten die Behörden Massenveranstaltungen ab.

2002 hatten tschetschenische Bewaffnete 850 Menschen in einem Musical-Theater in ihre Gewalt gebracht. Am vierten Tag des Dramas betäubte der Inlandsgeheimdienst die Geiselnehmer und die Geiseln mit einem Gas. Die Terroristen wurden erschossen. 135 Geiseln kamen ums Leben, die meisten von ihnen durch unzureichende medizinische Versorgung.

Trauertag für Russland

Der russische  Kremlchef Wladimir Putin hat für diesen Sonntag einen nationalen Trauertag für Russland angesetzt. Das teilte er am Samstag in einer Ansprache an die russische Bevölkerung mit.

veröffentlicht: 23. März 2024 06:47
aktualisiert: 23. März 2024 20:16
Quelle: sda

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