Guinness-Buch der Rekorde

Wie aus einem Beizen-Lexikon ein Millionengeschäft wurde

· Online seit 02.04.2023, 06:21 Uhr
Erinnerst du dich noch an das Guinness-Buch der Rekorde? Seit 1955 gibt es die berühmte Sammlung von atemberaubenden, skurrilen und faszinierenden Weltbestleistungen. Weniger bekannt ist, dass sich mit den Rekorden richtig Geld verdienen lässt. Firmen und Autokratien sind interessiert.
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In den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte Hugh Beaver eine zündende Idee. Der Geschäftsführer der irischen Guinness-Brauerei hatte gemerkt, dass es in Pubs oftmals hitzige Diskussionen über Weltrekorde gab. Doch was denn das schnellste Tier, das höchste Haus oder das teuerste Auto der Welt waren, das liess sich gar nicht so einfach feststellen. Wäre es nicht toll, wenn es für solche Fragen in jeder Beiz ein Nachschlagewerk geben würde? Dazu noch eines, auf dem werbewirksam das Guinness-Logo prangte?

Aus Beavers Idee wurde das Guinness-Buch der Rekorde (GWR). 1981 erstmals auch auf Deutsch herausgegeben, erfreut sich das jährliche Rekorde-Update bis zum heutigen Tag grosser Beliebtheit. Die Guinness-Sammlung hat sich längst von der Biermarke emanzipiert. Übersetzt in 21 Sprachen, 19 Millionen Follower auf Tiktok, hunderte von Mitarbeitenden auf der ganzen Welt – aus dem Beizenlexikon ist ein Rekorde-Imperium geworden.

Quelle: Skurriler Weltrekord: Brasilianer hat die grössten Glubschaugen

Vom Guinness zum Business

Und es ist ein Geschäft. Die Guinness-World-Records-Website verzeichnet mittlerweile fast 61'000 Weltbestleistungen. Zehntausende Rekord-Anträge flattern jedes Jahr in die Londoner Firmenzentrale. Dort animiert man insbesondere Unternehmen dazu, sich um einen Eintrag zu bewerben. Unter «Business Solutions» finden sich nicht nur zahlreiche Beispiele, wie Firmen von Rekorden profitieren können, das GWR-Team steht Interessenten auch mit Rat und Tat zur Seite.

Wenn eine Firma also gerne einen Weltrekord aufstellen möchte, dann kann sie sich direkt auf der Website dafür bewerben. Doch nicht nur das: Im Formular für die «kostenpflichtigen Geschäftslösungen» kann man auch ankreuzen, dass man noch gar keine Idee für eine Weltbestleistung hat. In diesem Fall schlägt das GWR-Team dem potenziellen Kunden gleich etwas vor und unterstützt auf dem Weg zum Erfolg.

Den Kurs von der Bieridee zum Riesengeschäft hat GWR vor allem seit dem Jahr 2008 eingeschlagen. Damals wurde das Unternehmen vom kanadischen Milliardär Jim Pattison übernommen. Der 94-jährige Pattison legte den Grundstein seines Vermögens ursprünglich mit dem Verkauf von Autos, expandierte dann aber in das Geschäft mit Medien, Lebensmitteln und später auch Rekorden.

Imagepolitur für 28'000 Franken

Wie die Rekord-Maschinerie abläuft, zeigte Jan Böhmermann kürzlich in seiner Late-Night-Show «ZDF Magazin Royale». Besonders beliebt bei den GWR-Kunden seien Logo-Stunts. Das eigene Firmenlogo aus besonders vielen Produkten zusammengebastelt; schwups, schon hat man einen waschechten Guinness-Weltrekord samt Urkunde in der Tasche und ist «officially amazing», wie das englische Unternehmen verspricht.

GWR macht mit diesem lukrativen Modell nicht nur gutes Geld, es lässt die Zahl der registrierten Weltrekorde auch in die Höhe schiessen. Teil dieser Bestleistungs-Inflation sind Klassiker wie «Längste Fingernägel» oder «Weitester Fussball-Auskick», aber eben auch allerlei Absurdes aus der Welt des Marketings – und vor allem eine Menge Logos. Ausserdem lässt sich GWR auch von Staaten bezahlen, die ihr Image aufpolieren wollen. Katar etwa baute schon seine Landesflagge rekordmässig aus Fussbällen nach. Mindestens zehn Rekorde attestierte GWR dem Golfstaat 2022.

Nun macht Guinness World Records aus dem Geschäft mit den Rekorden kein Geheimnis. Auf der Website ist das Geschäftsmodell klar ausgeschildert. Das Problem liegt eher darin, wie leicht Unternehmen und Staaten sich dieses Label verpassen können, wenn sie entsprechend tief in die Tasche greifen. Im Fall von Böhmermanns Show, die sich für einen Test als KMU ausgab, wären es 25'000 Pfund gewesen; ca. 28'000 Franken. Dafür hätte es die Idee für einen Rekord (das weltgrösste Firmenlogo aus Keramikfliesen), eine offizielle Guinness-Richterin vor Ort sowie die Lizenz für eine Handvoll Social-Media-Posts und Pressemitteilungen gegeben.

Welchen Weltrekord würdest du gerne aufstellen? Schreib es uns in die Kommentare!

veröffentlicht: 2. April 2023 06:21
aktualisiert: 2. April 2023 06:21
Quelle: Today-Zentralredaktion

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