Sicherheit und Littering

Ist «Aareböötle» in Bern zu beliebt geworden?

· Online seit 09.07.2023, 10:03 Uhr
Der Hype um die Schlauchboote auf der Aare hat vor einigen Jahren begonnen. Seitdem nimmt die Zahl der «Aareböötler» stetig zu. Sie stossen mit Schwimmern zusammen, bleiben an Brückenpfeilern hängen und lassen kaputte Schlauchboote liegen. Wie gross ist das Problem?
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Es ist heiss und man will man sich abkühlen. Hat man einen Fluss wie die Aare (fast) direkt vor der Haustür, ist da der Versuchung kaum zu widerstehen, hereinzuspringen – oder, wenn man etwas mehr Action möchte, das Schlauchboot hervorzunehmen und darin das erfrischende Aarewasser hinunterzurudern.

«An einem schönen Sonntag sind es sicher um die 4000 Leute, die man beim Marzili aussteigen sieht», sagt Alice Späh von der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern. Darin sind Schwimmer, Aareböötler und auch Aaresurfer und Stand-Up-Paddler enthalten. Von ihnen können sich gerade Schwimmer und Aareböötler schnell in die Quere kommen.

Zusammenstösse von Schwimmern und Aareböötlern

Sylvie Schönbauer, Bademeisterin im Marzilibad, beobachtet regelmässig Zusammenstösse oder Beinahe-Kollisionen zwischen Aareböötlern und Schwimmern. Sie und ihre Kollegen beaufsichtigen die Gegend, um Unfälle zu vermeiden.

Diese geschehen vor allem am Eingang zum Bueber-Kanal, sagt Schönbauer. «Die Böötler denken, sie müssten schon zum Ufer, damit sie dann weiter unten den Ausstieg nicht verpassen», erklärt sie. Sie Stadt habe aus diesem Grund eigentlich Signale flussabwärts angebracht, die zeigen, wie viele Meter es noch bis zum Ausstieg sind und Spuren für Böötler und für Schwimmende voneinander trennen. «Aber vor allem, wenn Böötler schon ein oder zwei Bier getrunken haben, fallen ihnen die Schilder nicht mehr so auf», sagt Schönbauer.

So habe sie zum Beispiel einmal beobachtet, wie eine Gruppe Böötler beim Eingang des Kanals nah am Ufer fuhr. Als Schönbauer sie in ihre Spur zurückwies, reagierten sie nicht – und fuhren am Ende über einen Schwimmer. «Er wurde unter Wasser getaucht. Zum Glück war er gesund und ein guter Schwimmer, sonst hätte ich ihn vermutlich retten müssen», erzählt sie.

Schwimmer habe es schon immer etwa gleich viele gegeben, sagt Aice Späh. Es seien die Aareböötler, die zugenommen haben. Späh beschäftigt sich mit dem Thema im Rahmen der Kampagnen «Aare You Safe?», durch welche die Stadt Bern Aareböötler und auch Schwimmer auf Gefahren sensibilisieren möchte. Sie geben Empfehlungen ab, wie zum Beispiel Boote nicht zusammenzubinden, Schwimmwesten zu tragen und beim Böötle keinen Alkohol zu trinken.

Bisher gab es zwei «Aare You Safe?»-Kampagnen. Die erste dauerte von 2013 bis 2015 und richtete sich vor allem an Schwimmer. Die zweite dauerte von 2017 bis 2020. Als sie und ihr Team diese zweite Kampagne planten, hätten sie beschlossen, den Fokus aufs Aareböötle zu legen, sagt Späh. Dies, weil die Beliebtheit damals merklich stieg. «Man kann keinen genauen Punkt bestimmen, an dem der Hype begonnen hat, aber um das Jahr 2016 hat es angefangen und seitdem wurden es stetig mehr», sagt sie.

Chaos beim Ausstieg

Die Menge an Aareböötlern ist nicht nur auf dem Wasser, sondern auch beim Ausstieg bemerkbar. Stark davon betroffen ist der Pontonierfahrverein der Stadt Bern. Das Clubhaus befindet sich direkt neben dem Marzili, das von den Aareböötlern als Ausstieg genutzt wird. So müsse sich der Verein zum Depot teilweise «durchkämpfen», wie Vizepräsident Joseph Berger sagt. Es sei ein richtiges «Puff». «Man müsste es beschränken. Da gibt es manchmal Zustände, die man kaum bewältigen kann», sagt er.

Doch führt das Aarebööteln eventuell zu mehr Interesse am Pontonierfahrverein? «Da merken wir gar nichts», sagt er. Das liege auch an den deutlichen Unterschieden: «Das bei uns ist Sport, das andere ‹just for fun›.» Auch viele Touristen seien bei den Böötlern dabei. Berger sieht das als Folge der Werbung von Bern Welcome.

Bern Welcome darf seit zwei Jahren keine aktive Werbung mehr für das Baden in der Aare oder Böötle auf der Aare machen, so informiert deren Medienstelle. Das heisst, sie dürfen zwar Einträge über Aare-Aktivitäten auf ihrer Webseite haben, diese allerdings nicht auf Social Media posten, in einer Broschüre auflisten oder auf einem Plakat zeigen. Grund ist die Sicherheit, weil bei Aktivitäten in und auf der Aare Gefahr für Unfälle bestehe – je mehr Leute unterwegs sind, desto grösser wird diese, so sagt auch Alice Späh von der Stadt Bern.

Unfälle mit Brückenpfeilern

Die Kantonspolizei Bern schreibt dazu: «Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass vor allem Kollisionen zwischen Schlauchbooten und stehenden Hindernissen, insbesondere Brückenpfeilern, zugenommen haben.» Es käme aus diesem Grund immer wieder zu Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit dem Aareböötle.

Neben der Kantonspolizei hat auch «Schutz und Rettung Bern» ab und zu Einsätze im Zusammenhang mit Aareböötlern. «Oftmals wird die Sanitätspolizei aufgeboten, um mit dem Boot vermisste Personen nach einem Ereignis auf der Aare zu suchen. Zwischendurch müssen auch Schlauchboote, welche sich an einem Brückenpfeiler verkeilt haben, durch uns entfernt werden», schreiben sie. Allerdings, so informieren sie, hat Schutz und Rettung Bern, beziehungsweise ihr Rettungsdienst, die Sanitätspolizei, diesen Sommer noch keine Einsätze im Zusammenhang mit Aareböötlern und Aareschwimmern gehabt.

Weggeworfene Gummiboote beim Ausstieg

Neben Werbung gibt es noch einen anderen Faktor, der die Beliebtheit des Aareböötlens antreibt. Schlauchboote können inzwischen sehr günstig gekauft werden. «So investieren viele nicht mehr in ein Schlauchboot mit guter Qualität», sagt Alice Späh. Das hat Folgen: Die Boote gehen schneller kaputt. Und auch wenn sie nur kleine Löcher haben, die leicht zu reparieren wären, würden sie die Besitzer gedankenloser wegwerfen, erklärt sie – und das nicht immer am richtigen Ort.

«Im Sommer 2022 stapelten sich an heissen Sommertagen an den Auswasserungsstellen in der Stadt Bern weggeworfene Gummiboote», schreibt die Stadt Bern auf ihrer Webseite. Um das dieses Jahr zu verhindern, hat «Subers Bärn» 2023 die Kampagne «Aareböötle ohne Littering» lanciert. Entlang der Aare zwischen Thun und Bern gibt es von Mitte Mai bis Ende September Informationsplakate, zusätzliche Abfalleimer und Mitarbeitende der Stadtverwaltung Bern, die Böötler darauf aufmerksam machen, wie sie Littering vermeiden können.

Hat es zu viele Aareböötler?

Nachdem die zweite «Aare You Safe»-Kampagne 2020 endete, lancierte die Stadt keine weitere Kampagne zum Thema Sicherheit im Zusammenhang mit dem Aareböötle. Dies unter anderem aus Mangel an Geld. Allerdings würden sie zum Beispiel mit Social-Media-Posts versuchen, das Thema in den Köpfen der Leute zu behalten.

Und das funktioniere, findet Alice Späh: «Ich habe das Gefühl, dass auf jeden Fall ein grösseres Bewusstsein da ist.» Das merke man zum Beispiel daran, dass nun über viermal so viele Aareböötler eine Schwimmweste tragen wie noch vor vier Jahren. Und auch Werte, die man nicht durch Zahlen erheben könne, hätten sich in ihren Augen verbessert. «Ich glaube, die Leute haben mehr Respekt vor dem Böötle. Sie überlegen sich zweimal, ob sie es können oder wirklich mögen. Und schauen auch mehr aufeinander.»

Auf diesem Grund findet Späh, dass der Aareböötle-Hype nicht grundsätzlich ein Problem ist. «Es ist eben schon mega ‹lässig›, so die Aare hinunterzutreiben. Man sieht das Bundeshaus und um sich herum Natur, wo sonst kann man das?» Solange man deshalb aufeinander schaue und Rücksicht nehme, sei das Aareböötle und Aareschwimmen keine Gefahr, sondern «einfach etwas Schönes».

Tipps, wie du beim Aareböötle sicher bleibt, findest du hier.

veröffentlicht: 9. Juli 2023 10:03
aktualisiert: 9. Juli 2023 10:03
Quelle: BärnToday

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