Nach über 200 Jahren – Mühlethurnen verliert «Gasthof zum Adler»
Teller, Töpfe und Tassen – alles muss raus. Der «Gasthof zum Adler» in Mühlethurnen ist geräumt, das ganze Inventar des ehemaligen Restaurants wird am kommenden Wochenende verkauft. Seit mehreren Tagen steht ein Schild mit der entsprechenden Aufschrift vor dem Gasthof. Speis und Trank wird in der Beiz seit längerer Zeit nicht mehr serviert.
Restaurant ist «endlich» verkauft
Vor 15 Jahren entschied Gasthofbesitzer Hans-Rudolf Messerli, das Restaurant zu schliessen. «Schon damals kämpfte ich mit fehlendem Personal. Die Land- und Dorfbeizen hatten es schon 2009 nicht einfach.» Auch das temporäre Thai-Restaurant funktionierte nicht. Zuletzt öffnete er den Gasthof nur noch gelegentlich für Vereine, Versammlungen und Konzerte.
Jetzt geht Hans-Rudolf Messerli einen Schritt weiter: Im Januar 2024 verkaufte er den Gasthof. Zuerst plante er im alten Gebäude Wohnungen, das wäre aber zu teuer gekommen. Auch seine Tochter wollte das Restaurant nicht übernehmen.
«Vor vier Jahren gab es die ersten Kaufinteressenten. Aber anfangs ging es mir einfach zu schnell, ich habe mich gegen den Verkauf gewehrt. Heute, mit 76 Jahren, bin ich wohl dafür reif», sagt Messerli gelöst. Der Verkauf fiel dem Berner nicht leicht – das merkt man im Gespräch.
Vom Gasthof zur Schreinerei
Schliesslich kaufte ein Holzschnitzer aus dem Berner Oberland den Gasthof in Mühlethurnen. «Jetzt wird es eine Schreinerei», so Hans-Rudolf Messerli. Mitten im Dorf wird es also künftig keinen Gasthof mehr geben.
Mühlethurnen verliert damit ein traditionsreiches Restaurant. Das Haus existiert seit 1796, diese Zahl sei im Keller an der Wand eingraviert, so Messerli. Folglich wurden im Adler während über 200 Jahren Gäste bewirtet.
Die Restaurant-Dichte bleibt in Mühlethurnen bescheiden. Oberhalb des Dorfes, Richtung Riggisberg, serviert das Restaurant «Mühlebach» traditionelle Gerichte. Es ist die einzige Beiz auf Boden der Gemeinde Thurnen.
104 Jahre Familiengeschichte gehen zu Ende
1981 übernahm Hans-Rudolf Messerli den Gasthof zum Adler, er hatte ihn geerbt. «Drei Jahrzehnte hat mein Vater hier gewirtet. Er erhielt das Restaurant von meinem Grossvater, dieser hat den Adler 1920 gekauft», erzählt der Senior. 104 Jahre lang war der Adler also in Familienbesitz.
Bevor sich Hans-Rudolf Messerli fürs Kochen entschied, habe er zuerst das «Bauernlernjahr» gemacht. Früher gehörte zum Adler ein Bauernbetrieb mit Kühen, den die Familie führte. Alles in allem stand der Berner rund 40 Jahre in der Küche und betrieb den Gasthof. «Ich selbst hätte nie gedacht, dass ich so lange im Adler bin. Aber ich fand einfach den ‹Rank› nicht zum Aufhören», sagt Messerli und lacht.
«Und dann kann ich es geniessen»
Am kommenden Freitagnachmittag und am Samstag wird nun das Inventar verkauft. Mit den Einnahmen will Messerli die restlichen Schulden und Kosten decken.
Glücklicherweise müsse er sich nur vom Inventar trennen, wegziehen müsse er trotz des Verkaufes nicht. «Ich darf in der Wirten-Wohnung hinter der Küche bleiben. Und dann kann ich es einfach nur noch geniessen.»
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