Ostermundigen will ein Dorf bleiben – doch ein Dorfkern fehlt
Knapp würde es werden. Das wurde, je näher der Abstimmungstermin rückte, immer deutlicher. Die Argumente der Befürworter – sinkende oder zumindest nicht steigende Steuern, Zugang zu mehr und teils günstigeren Dienstleistungen der Stadt, mehr Gewicht für urbane Themen auf Kantonsebene – verfingen letztlich bei 57 Prozent der Stimmenden in Ostermundigen nicht.
Von beiden, von der Stadt Bern ebenso wie der östlich angrenzenden Vorortsgemeinde, hätte es ein Ja gebraucht. Die Städterinnen und Städter nahmen die Fusion zu 72,35 Prozent an.
Angst vor Identitätsverlust
Das intensive Flyern und Plakatieren beider Seiten in den vergangenen Wochen hat zwar den einen oder die andere noch mobilisiert. Doch das Ruder konnte das kaum noch herumreissen. Denn für viele Ostermundigerinnen und Ostermundiger war es ein Bauchentscheid, der längst gefällt war – mögliche Vor- und Nachteile des Fusionsvertrags hin oder her. Ein Zusammenschluss mit Bern beraube das Dorf seiner Seele, nehme den Einwohnerinnen und Einwohnern die Identität, hiess es.
Wer in Ostermundigen aufgewachsen ist, verbindet natürlich mehr mit dem eigenständigen Ort als zum Beispiel ein 2022 zugezogener Bewohner oder eine Bewohnerin des Bäretowers, dem 100.5-Meter-Hochhaus, welches an der Seite des Münsters die herzförmigen Ja-Plakate zierte. Doch zumindest die älteren Semester erinnern sich an die Zeit vor 1983, als Ostermundigen noch eine Viertelsgemeinde von Bolligen und damit alles andere als unabhängig war.
Schlaftrabant am Stadtrand
Damals ereilte das ehemalige Bauerndorf dasselbe Schicksal vieler schnell gewachsener Agglomerationsgemeinden: Hier wohnt man, aber in den Ausgang geht man woanders. Und trotz der zahlreichen Kirchen in Ostermundigen: Ein Kirchplatz, ein Dorfkern, ein Zentrum, wo man sich auf einen Kaffee trifft, wo Piazza-Feeling aufkommt oder auch regelmässig ein Märit stattfindet, fehlt – bis auf einen kleinen Märit im noch jungen Oberfeldquartier – weitgehend.
Doch auch bei einem Ja hätte sich daran kaum etwas geändert. Denn schon heute ist man mit der S-Bahn in maximal acht Minuten am Bahnhof Bern und in der gleichen Zeit mit dem Bus am Viktoriaplatz – der ist zwar auch kein Dorfplatz, aber ein belebter Berner Quartiertreffpunkt.
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