Stahlkrise

Stahl Gerlafingen wartet auf Politik: Teilschliessung vorerst abgewendet

15.03.2024, 19:10 Uhr
· Online seit 15.03.2024, 13:25 Uhr
Das Stahlwerk Gerlafingen steht massiv unter Druck und verliert viel Geld. Eigentlich müsste es einen Teil schliessen, die sogenannte Profilstrasse. Aufgrund der Rettungsversuche aus der Politik schiebt die Firma den Entscheid auf.

Quelle: Tele M1

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Für die Stahl Gerlafingen sind harte Zeiten angebrochen. Im Laufe der Woche wurde bekannt, dass die wirtschaftliche Lage sehr kritisch ist - in der Folge wurden die Solothurner National- und Ständerate aktiv. Dies um zu verhindern, dass das Werk teilweise geschlossen werden muss. Alt Ständerat Roberto Zanetti aus Gerlafingen hatte dem Vernehmen nach die Fäden gezogen.

Am Freitag hat die Firma nun Belegschaft und Öffentlichkeit informiert, wie es weitergeht.

Teilschliessung ausgesetzt

Die wichtigste News: Die Schliessung der so genannten Profilstrasse wäre zwar betriebswirtschaftlich nötig, wird aber aufgrund der Intervention der Politik vorläufig ausgesetzt. Die Profilstrasse ist eine der beiden Produktionslinien der Stahl Gerlafingen und bietet Arbeit für etwa 35 Personen. Diese Arbeitsplätze sind nun fürs Erste gerettet. Insgesamt beschäftigt Stahl Gerlafingen gemäss Firmen-Homepage 540 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

So berichtete Tele M1 am Mittwoch, 13. März 2024:

Quelle: Tele M1 Archivbeitrag vom 13. März 2024

Aber das ist nur eine Verschnaufpause, denn es gilt weiterhin: "Um Stahl Gerlafingen als Ganzes in die Zukunft zu retten, sind laut CEO Alain Creteur nun harte Schnitte notwendig. Namentlich wird eine Schliessung der Profilstrasse geprüft, «was auch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden wäre», heisst es in der Mitteilung vom Freitag.

EU mit faktischem Importstopp

Das Stahlwerk leidet einerseits unter den immer noch hohen Energiepreisen. Weil das Werk enorme Mengen Strom verbraucht, schlagen die Preiserhöhungen infolge des Ukrainekriegs voll durch. Im Vergleich zu 2022 sind die Strompreise zwar etwas zurückgegangen, sie liegen aber immer noch viel höher als vor dem Ukrainekrieg.

Noch schädlicher für die wirtschaftliche Lage des Stahlwerks sind Entwicklungen in der EU. Gerlafingen konnte bis 2023 jeweils problemlos Stahl in die EU exportieren. Doch seit dem letzten Jahr überschwemmen viel billigere Stahlprodukte aus Ägypten, Vietnam oder Brasilien den europäischen Markt. Die Kontingente, die die EU jeweils bereitstellt, seien innert weniger Stunden von diesen Anbietern ausgeschöpft - die Schweiz und ihre Stahlindustrie schaut in die Röhre. Faktisch gelte aktuell ein Importverbot in die EU, beklagt das Stahlwerk.

Es kommt noch dazu, dass die EU ihre eigene Stahlindustrie fördert, um unabhängiger von Importen zu werden. Das ist eine Lehre aus der Corona-Pandemie, als Lieferketten zusammenbrachen. Auch dies wirkt sich zum Nachteil der Schweizer Stahlindustrie aus, denn die Schweiz kennt keine solche Politik zur Förderung bestimmter Industriezweige.

Es könnte fast 100 Kündigungen geben, wenn nichts passiert

Kenner vom Stahlwerk sprechen von rund 95 möglichen Kündigungen gegenüber Tele M1. Das dementiert das Werk zum jetzigen Zeitpunkt ausdrücklich. Die Solothurner Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben durch ihre Vorstösse die Teilschliessung erst einmal auf Eis legen können. Wie geht es nun weiter? «Man will jetzt noch einmal schauen mit den beiden Bundesräten, ob es irgendeine Möglichkeit gibt für sie, etwas zu unternehmen, um die Teilschliessung ganz zu verhindern», erklärt Nationalrat Christian Imark von der SVP.  «Es ist noch nichts gerettet, aber wir haben jetzt einen Teilsieg erreicht.» Und SP-Ständerätin Franziska Roth fügt hinzu: «Wir erwarten jetzt vom Stahlwerk Gerlafingen, dass es seine Möglichkeiten ausschöpft, zusammen mit der Beltrame Gruppe. Und dass die Beltrame Gruppe zum Stahlwerk Gerlafingen steht.»

Beim Bund um Hilfe gefragt - passiert ist wenig

Man habe aufgrund dieser Entwicklungen schon letzten Sommer um Hilfe beim Bund nachgefragt, beim zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft Seco, schreibt Stahl Gerlafingen. Daraufhin habe es zwar Gespräche gegeben, aber keine konkrete Lösung.

Ohne Intervention der Politik hätte Stahl Gerlafingen heute Freitag die Schliessung der Profilstrasse verkündet, daran lässt die Mitteilung des Unternehmens wenig Zweifel. Man habe «uns gebeten, den Entscheid auszusetzen, weil die Politik nochmals einen Effort zur Lösungsfindung leisten will», schreibt die Firma. Selbstverständlich wolle man einer politischen Lösung nicht im Wege stehen, darum habe man den möglichen Entscheid zur Stilllegung der Profilstrasse vorerst ausgesetzt. Dies in Absprache mit der italienischen Besitzerfamilie Beltrame.

Wichtig ist der Firmenleitung ein Punkt: Sollte man die Profilstrasse doch noch schliessen, komme für die von einer Kündigung Betroffenen ein Sozialplan zum Tragen. «Zudem soll der Abbau von Arbeitsplätzen möglichst über natürliche Abgänge erfolgen.»

Nun ist der Bundesrat gefordert

Nun sind also Energieminister Albert Rösti und Wirtschaftsminister Guy Parmelin mit ihren Spitzenleuten gefragt, um schnelle Lösungen für die Probleme des Stahlwerks Gerlafingen zu finden. Bundesrat Albert Rösti hatte letzten Juni bei der grossen 200-Jahr-Feier des Stahlwerks einen viel beachteten Auftritt in Gerlafingen.

Nicht betroffen von möglichen Schliessungen seien das Stahlwerk selber, die Kombistrasse (die zweite Produktionsstrasse) und das Ringcenter. Der Bund hat das Stahlwerk Gerlafingen als systemrelevant anerkannt und erst einmal gebeten, die Teilschliessung aufs Eis zu legen, mehr ist noch nicht passiert. Die Lösungen fehlen und die Alarmstufe ist deshalb von Seiten Stahlwerk noch auf Rot. Beim Bund dürfte eine Abfederung durch Energieabgaben oder Absatzhilfen im Schweizer Stahlmarkt im Raum stehen.

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veröffentlicht: 15. März 2024 13:25
aktualisiert: 15. März 2024 19:10
Quelle: 32Today

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