Neue Studie

Darum verlassen Männer Berufe mit steigendem Frauenanteil

· Online seit 31.01.2023, 07:49 Uhr
Gab es früher vor allem Apotheker und Lehrer, so dominieren heute Apothekerinnen und Lehrerinnen die Branche. Eine Theorie aus der Genderforschung besagt, dass Männer Berufe verlassen, die von mehr Frauen neu aufgenommen werden. Belegt wird diese Theorie nun von einer neuen Studie der Universität Zürich.
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Soziologie-Professor und Studienleiter Per Block erklärt einer der Gründe: «Männer haben oft stereotypische Vorstellungen davon, was typisch männliche und typisch weibliche Tätigkeiten sind. Je mehr Frauen neu in den Beruf reingehen, umso mehr Männer haben das Gefühl, dass sie Tätigkeiten machen, für die sie eigentlich nicht geeignet sind.»

Mit steigendem Frauenanteil sinkt der Lohn 

Eine weitere Erklärung dreht sich ums Geld. So zeigen verschiedene Untersuchungen, dass der Lohn in Branchen mit steigendem Frauenanteil sinkt. «Männer verlassen diese Berufe auch, um diese Gehaltseinbussen zu umgehen.»

Das Berner Berufsberatungszentrum BIZ kann die Ergebnisse der Studie so nicht bestätigen. Dafür fehlten Befragungen und Statistiken. Leiter Daniel Reumiller weist aber darauf hin, dass die Berufswahl stark durch Stereotypen beeinflusst wird. «Die Schweiz ist eines jener Länder mit einem starken Gender Gap», sagt er.

Junge Frauen interessieren sich demnach noch immer tendenziell für soziale und medizinische Berufe, junge Männer hingegen eher für technische und handwerkliche Berufe sowie für die Informatik. «Der gemeinsame Nenner ist das KV, das sowohl bei Frauen und Männern beliebt ist.»

Dass die Geschlechterrollen in der Schweiz derart fest verankert sind, liege nicht zuletzt am dualen Bildungssystem, bei dem man sich schon früh um die Berufswahl kümmern müsse. «Da mag es für einen Jungen nicht so cool sein, einen typischen Frauenberuf zu wählen und umgekehrt.»

Eltern bestärken Geschlechterrollen 

Verstärkt werden die Geschlechterrollen auch durch die Eltern. Bei den Berufsberatungsgesprächen gebe es immer wieder Jugendliche, die Interesse an einem nicht gendertypischen Beruf habe, die Eltern aber dieser Berufswahl skeptisch gegenüberstehen. «Wir versuchen deshalb die Eltern zu sensibilisieren, dass jeder Beruf grundsätzlich für beide Geschlechter möglich ist und durch unser durchlässiges Bildungssystem es auch nicht um eine abschliessende Berufswahl geht», so Reumiller.

Interessant: Die Stereotypen beeinflussen nicht nur die Berufswahl oder ob jemand die Branche wechselt, sondern insbesondere auch, wie wir einen Beruf sehen. Soziologie-Professor Block macht dafür folgendes Beispiel: Der Beruf der Krankenpflegerin werde gemeinhin als sozialer Beruf betrachtet. «Wenn in der Krankenpflege jedoch hauptsächlich Männer tätig wären, würden wir den Beruf vielleicht ganz anders sehen. Krankenpfleger würden sich womöglich nicht durch ihre soziale Fähigkeit auszeichnen, sondern weil sie viel Autorität gegenüber den Patienten und ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben», so Block.

veröffentlicht: 31. Januar 2023 07:49
aktualisiert: 31. Januar 2023 07:49
Quelle: BärnToday

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