Neue Regierung

«Das ist keine Papstwahl» – Bundesrat soll Update bekommen

· Online seit 12.12.2023, 12:54 Uhr
Am Mittwoch wählt das Parlament die Bundesrätinnen und -räte. Politologe Michael Hermann schliesst Überraschungen nicht aus. Zudem hält er es für undemokratisch, Bundesräte zu bestätigen, die keine Mehrheit mehr haben.

Quelle: «SonnTalk» vom 10. Dezember 2023 / TeleZüri

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Alain Berset sagt Adieu. Am Mittwoch wählt das Parlament eine Nachfolge für den Freiburger SP-Bundesrat. Auf dem Ticket stehen der Bündner Nationalrat Jon Pult und der Basler Regierungsrat Beat Jans. Gleichzeitig finden im Bundesrat Gesamterneuerungswahlen statt. Das Parlament wählt sechs weitere Mitglieder der Landesregierung.

Zuerst an der Reihe sind Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP), Aussenminister Ignazio Cassis (FDP), Verteidigungsministerin Viola Amherd (Die Mitte), Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP), Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) und Energieminister Albert Rösti (SVP). Am Schluss wählt das Parlament die Nachfolge von Alain Berset.

Wahl eines wilden Kandidaten sei möglich

Seit der Abwahl von SVP-Bundesrat Christoph Blocher im Jahr 2007 verliefen die Bundesratswahlen unspektakulär. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier hielten sich an die vorgegebenen Tickets der Fraktionen. Seit den nationalen Wahlen im Oktober rumort es im Parlament aber. Manche Stimmen zweifeln die aktuelle Sitzverteilung an. Grund dafür ist, dass die FDP nur noch leicht vor der Mitte liegt. Bei der Anzahl Sitze im Parlament hinkt die FDP der Mitte nach.  

Zudem wirbeln die Grünen die traditionelle Sitzverteilung auf: Mit dem Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey greifen sie den Sitz von Ignazio Cassis an. Mehrere «Geheimpläne» machten in den Medien die Runde.

«Es könnte am Wahltag noch zu Überraschungen kommen», sagt Michael Hermann, Politologe und Leiter des Forschungsinstituts Sotomo zur Today-Redaktion. Vor allem bei der Ersatzwahl für Alain Berset könne man nicht ausschliessen, dass noch etwas passiere. Grundsätzlich sei Beat Jans in der Poleposition. «Es könnte aber sein, dass Jon Pult oder sogar jemand gewählt wird, der nicht auf dem Ticket steht.»

Chancen für Nordmann und Allemann

Einige SVP-Parlamentarier halten die beiden SP-Kandidaten für unwählbar. Michael Hermann erachtet es als möglich, dass Bürgerliche als «Strafe für das SP-Ticket» deshalb einem Sprengkandidaten Stimmen geben. Viele würden dabei an SP-Ständerat Daniel Jositsch denken. «Es könnte aber auch sein, dass SP-Nationalrat Roger Nordmann Stimmen holt.» Attraktiv sei der welsche Nordmann gerade für die SVP, weil diese auf einen Bundesratssitz aus der Deutschschweiz schiele. «Tritt Guy Parmelin zurück, steigen die Chancen für eine Nachfolge aus der Deutschschweiz.»

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SP-Ständerat Daniel Jositsch fiel mit seinen Bundesratsambitionen in der eigenen Partei in Ungnade. Jositsch könne durchaus wieder Stimmen holen, sagt Hermann. «Im Unterschied zu Nordmann wäre dies aber fast eine Kriegserklärung an die SP.»

Wenn Sprengkandidaten viele Stimmen machen, könnte dies laut Hermann am Ende aber auch Beat Jans den Kopf kosten. Weil Pult mehr konstante Fans habe, fehlten eher Jans die Stimmen, die an die Sprengkandidaten gingen. «So könnte Jans, wenn es dumm läuft für ihn, sogar vorzeitig ausscheiden und Jon Pult am Ende das Rennen machen.»

Cassis in Gefahr

Als chancenlos wird Gerhard Andreys Kandidatur gehandelt. Michael Hermann rechnet jedoch damit, dass dieser im ersten Wahlgang einige Stimmen bekommen könnte. «Dies, um zu signalisieren, dass Ignazio Cassis seinen Sitz nicht mehr verdient hat.»

Gleichzeitig ist laut Hermann möglich, dass etwa Mitte-Präsident Gerhard Pfister einige Stimmen für sich vereinen kann. Im «SonnTalk» äusserte sich Pfister zu diesem Szenario (siehe Video oben). «Im extremen Fall verpasst Cassis im ersten Wahlgang das absolute Mehr.» Am Ende werde sich der Tessiner FDP-Bundesrat aber durchsetzen. «Weil sich seine Gegenstimmen auf keinen wilden Kandidaten einigen können.» Gross sei die Wahrscheinlichkeit, dass Cassis mit einem mässigen oder schlechten Resultat abschneiden werde.

«Keine Wahl auf Lebenszeit»

Laut einer repräsentativen Umfrage von «Watson» wünschen sich 69 Prozent der Bevölkerung eine Veränderung der Zusammensetzung des Bundesrats. Die Fraktionen wollen hingegen an der bestehenden Zauberformel festhalten.

Auch Michael Hermann unterstützt ein Update im Bundesrat. «Die Bundesratswahlen sind keine Papstwahl», sagt Hermann. Es sei undemokratisch, Bundesräte zu bestätigen, die keine Mehrheit mehr hätten. «Es geht nicht darum, einen Bundesrat auf Lebenszeit zu wählen, sondern echte politische Mehrheiten zu finden.» In der Folge müsste die FDP der Mitte einen Sitz abtreten.

Kleinere Verschiebungen gab es auch in den letzten Jahren im Bundesrat immer wieder. Als Beispiel erwähnt der Politologe Christoph Blochers Wahl auf Kosten des CVP-Sitzes im Jahr 2003, die spätere BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf 2007 anstelle eines SVP-Sitzes und 2015 Guy Parmelin, der den SVP-Sitz zurückeroberte. «Die Schweiz hat in dieser Zeit nicht an Stabilität verloren – im Gegenteil», lautet Hermanns Fazit.

veröffentlicht: 12. Dezember 2023 12:54
aktualisiert: 12. Dezember 2023 12:54
Quelle: Today-Zentralredaktion

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