Sport

Berner Olympiasieger Edy Hubacher im Interview

Ehrung im Olympischen Museum

Edy Hubacher: Berner Amateursportler mit Olympia-Gold blickt zurück

· Online seit 11.11.2023, 16:07 Uhr
Am Freitag wurden drei Schweizer Sportler im Olympischen Museum in Lausanne geehrt. Unter ihnen war auch der Berner Bobfahrer Edy Hubacher. Im Interview erklärt der heute 83-Jährige, was ihn auch «ohne sportliche Begabung» angetrieben hat und wie er mit einem Trick dazu verleitet wurde, Stabhochsprung zu lernen.
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BärnToday: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie jetzt, nach über 50 Jahren, für Ihre Goldmedaille an den Olympischen Spielen 1972 geehrt werden?

Edy Hubacher: Ich habe dem Olympischen Museum in Lausanne vor vielen Jahren meine Goldmedaille von Sapporo geschenkt. Nun wurde ich 50 Jahre nach diesen Olympischen Spielen vom Museum eingeladen, um ein Interview für die Mediathek der Olympischen Bewegung zu geben.

Wie sind Sie zum Bobsport gekommen?

Ich war Zehnkämpfer und wir hatten mit unserem Kader einen Kurs in Magglingen. Neben uns hatten die Bobfahrer Sommertraining – sie machten Start-Tests. Irgendwann sagte unser Trainer zu mir: «Zeig denen mal, wie man einen Bob anschiebt.» Nach drei gemessenen Versuchen merkten sie, dass ich deutlich schneller war als alle anderen. Wobei das eigentlich unfair war: Der Pilot, der im Bob sass, war etwa 140 Kilo schwer – da hatte ich mit meinen 108 Kilo einen riesigen Vorteil gegenüber den anderen Anschiebern, welche viel leichter waren.

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Das war 1970. Nur zwei Jahre später holten Sie an den Olympischen Spielen die Goldmedaille – wie war das überhaupt möglich?

Ich liess mich irgendwann vom Piloten Jean Wicki überreden, Probefahrten zu absolvieren, obwohl mir eigentlich lange der Mut dazu fehlte. Nach zwei Fahrten in Königssee sagte ich ihm dann bereits, dass das nichts für mich sei. Ich machte alles falsch, was man falsch machen konnte. Ich wurde herumgeschüttelt und mein Rücken lief in allen möglichen Farben an. Ich hatte halt auch keine Anweisungen erhalten, wie ich mich im Bob verhalten soll. Schliesslich ging ich trotzdem mit Jean Wicki an die Süddeutsche Meisterschaft, welche wir zu meiner Überraschung gewannen.

Dass wir dann im Zweierbob an den Olympischen Spielen Bronze gewinnen konnten, war für mich ein Traum. Dank Wickis Steuerkünsten setzten wir im Vierer noch einen drauf. Jean hielt sein Versprechen, dass er es mit mir mindestens einmal aufs «Stägeli» schaffen würde. Es war aber auch eine andere Zeit. Heute sind das alles Profis. Ich habe in meiner besten Zeit gleichzeitig fünf Berufe ausgeübt: Lehrer an einer Gesamtschule, Gemeindeschreiber, Männerchor-Dirigent, Redaktor des Jugend-Jahrbuchs Helveticus und daneben war ich noch bei der Feuerwehr. Wir waren wirklich Amateure und das war schön. Ich hätte auch nichts anderes gewollt. Ein Berufssportler sein? Nein, das macht einem nicht immer nur Freude.

Was hat Ihr Bob-Team damals ausgemacht?

Wir hatten einen sehr guten Piloten. Am Anfang war er körperlich noch etwas schwach, mit täglichem Training und einem Ziel vor Augen wurde er aber immer stärker. Die restlichen Plätze im Bob konnte ich mit Zehnkämpfer-Kollegen füllen. Wir waren eine wahnsinnige Equipe. Leider wurde dieses Team dann vor den Olympischen Spielen auf eine Weise auseinandergerissen, auf die ich lieber nicht näher eingehen möchte. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich nicht wirklich ganz über diese Goldmedaille freuen kann. Nach diesem Erfolg sagte der damals 39-jährige Wicki: «Das ist ein wunderbarer Abschluss, ich höre auf.» Für mich war klar, dass ich mit niemand anderem weiterfahren würde – daher hat es für mich gepasst, dass wir zusammen aufhören konnten. Ich blieb dem Bobsport allerdings noch acht Jahre in Trainerfunktionen treu und konnte viele schnellkräftige Leichtathleten als Anschieber gewinnen. Meine Karriere als Leichtathlet setzte ich noch vier Jahre fort.

Sie haben mehrere Schweizer Meistertitel in verschiedenen Disziplinen und Mehrkämpfen. Waren Sie so polysportiv begabt?

Ich war und bin immer noch am Sportgeschehen interessiert. Ich war nicht begabt, ich war ein «Gstabi». Das haben mir mein Vater und mein Turnlehrer öfters gesagt und ich merkte es ja selbst. Aber ich habe bis heute diverse Sportarten wettkampfmässig betrieben: Fussball, Handball, Leichtathletik, Bob, Rudern, Volleyball, Tennis und schliesslich bis heute noch Golf. Meine Talente waren Ausdauer, Konsequenz und Freude. Und das hat mich angetrieben, Grenzen zu suchen. Beim Mehrkampf ist das auch eine spezielle Geschichte: Ich bin eigentlich ein verhinderter Mehrkämpfer. Nach der RS hatte ich einen kaputten Rücken und Ärzte haben mir Sprünge verboten. Als ich etwas Muskulatur zugelegt hatte, wurde das dann aufgehoben und ich habe Weitsprung und Hochsprung gemacht.

Stabhochsprung war für mich aber lange ein «böhmisches Dorf». Armin Scheurer (Anm. d. Red.: Leichtathlet und langjähriger Fussballspieler beim FC Biel) hat mich dann dazu überlistet – damit ich nicht nur Neunkämpfe mache. Er hat mir und meinen Schülerinnen und Schülern Stabhochspringen beigebracht und da musste ich auch mitmachen. Plötzlich konnte ich dann über diese Stange und habe mich auch dort verbessert.

Was war ihr schönstes sportliches Erlebnis? 

Das war im Wankdorf bei einem Zehnkampf: ein Länderkampf zwischen der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Als ich selektioniert wurde, ging ein Sturm durch die Presse: «Jemand, der zwei Jahre keinen Zehnkampf gemacht hat?» Ich gewann und stellte im Kugelstossen eine Weltbestleistung auf – heute heisst das «Weltrekord». Dieser Rekord wird mir bleiben und ich werde ihn überleben. Das ist doch ein schöner Gedanke.

veröffentlicht: 11. November 2023 16:07
aktualisiert: 11. November 2023 16:07
Quelle: BärnToday

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