Dernière am Seeländischen

«Stucki gehört zum Schwingen wie Federer zum Tennis»

10.06.2023, 16:36 Uhr
· Online seit 10.06.2023, 11:55 Uhr
Am Sonntag steigt Christian Stucki beim Seeländischen Schwingfest in Lyss zum allerletzten Mal in seiner Karriere in den Sägemehlring. Schwingexperte Albi Saner sagt im Interview, was Stucki ausmacht und was er von ihm an seinem Heimfest erwartet.
Anzeige

BärnToday: Was macht Christian Stucki aus?

Albi Saner: Es ist das Gesamtgebilde. Einerseits die schwingerische Qualität – er ist technisch und vom Überraschungsmoment her sehr stark. Auf der anderen Seite ist er nicht nur im, sondern auch neben dem Sägemehlring ein unglaublich sympathischer Typ. Wenn andere sich verkrochen haben, hat er das Gespräch mit den Leuten gesucht. Mit Gross und Klein, mit Alt und Jung, mit Frau und Mann: Er hat immer ein offenes Ohr und ist nahbar. Sowohl bevor er König war, als auch als König war er immer einer, der auf die Leute zuging, sie aber auch an sich heranliess.

Was verliert der Schwingsport mit Stuckis Rücktritt?

Er ist für mich die grösste Figur der Neuzeit, wenn man das Gesamtbild anschaut. Das ist ein riesiger Verlust. Ihn kann man nicht ersetzen. Für den Kanton Bern geht eine Figur verloren – er war das Schlachtross, der Kapitän, der Vorreiter, der die Mannschaft, wie es sich für einen Leader gehört, geführt hat.

Was waren die Highlights seiner Karriere?

Die Highlights waren, dass er eigentlich überall gewinnen konnte. Es gibt Schwinger, die gewisse Schwingfeste gern haben und dort gut sind, aber bei anderen weniger überzeugen. Stucki ist mit allem fertig geworden. Angefangen hat es, als er in jüngsten Jahren den ersten Eidgenossen gemacht hat, während andere noch nicht mal wussten, wie man schwingt. Dass er schlussendlich sieben Eidgenossen erreicht – das muss man sich mal vorstellen: Über 21 Jahre hat er es fertiggebracht, immer bereit zu sein, um den eidgenössischen Kranz zu holen. Das ist nicht zu unterschätzen. Zusätzlich noch die 133 Kränze, die er geholt hat, das ist gigantisch.

Christian Stucki weiss sich zu vermarkten und hat schon verschiedenste Werbedeals abgeschlossen. Wie macht er das?

Er ist sicher nicht einer, der sich in erster Linie vermarkten will. Es gibt andere Schwinger, auch im Kanton Bern, welche das vielleicht sogar mehr forciert haben. Die Leute kommen zu ihm. Wir wären Dummköpfe, wenn wir solche Angebote nicht annehmen würden. Das sind tolle Möglichkeiten, die man nicht ausschlagen kann. Er hat sich diese Angebote verdient – einerseits mit seiner schwingerischen Qualität und andererseits mit seiner Art. Er steht einfach für etwas, das diese Werbeleute suchen. Ob er damit übertreibt und es zu viel ist, will ich nicht beurteilen. Er hat das immer in einem Rahmen gemacht, der für mich absolut vertretbar ist. Ich gönne ihm das, ich gönne ihm jeden Rappen.

Was denkst du, was Stucki nach seinem Karriereende machen wird?

Er hat ja gesagt, dass er sich grundsätzlich freut, nicht mehr immer an die Schwingfeste gehen zu müssen. Es ist ja im Prinzip eine Tortur: Jede Woche in aller Herrgottsfrühe aufstehen, nebst dem Training, das man auch noch hat. Dazu kommt der ganze Stress mit den Reisen. Dass er das nicht mehr braucht, ist nachvollziehbar. Es scheint mir gar nicht so einfach zu sein, etwas zu finden, das ihm passt. Er kann nicht den ganzen Tag mit den Kindern im Garten herumtollen, was er sehr gerne macht. An irgendeinem Projekt ist er dran – was das ist, wird er vermutlich zu gegebener Zeit enthüllen. Er wird überall gern gesehen. Wenn er mal nicht weiss, was tun, macht er einen Anruf und wird irgendwo eingespannt – wo auch immer das ist.

Denkst du, dass er dem Schwingsport erhalten bleibt?

Ich hoffe es. Er gehört zum Schwingen wie Roger Federer zum Tennis. Ich hoffe, dass der Schweizerische Schwingverband ihn für irgendeine Funktion packen kann. Sei das als Kampfrichter, als Gallionsfigur, er muss dem Schwingsport unbedingt erhalten bleiben. Sonst müssten sie diesen Job als Generalrepräsentant des Schweizerischen Schwingerverbands noch kreieren.

Was erwartest du nun von Stucki am Seeländischen, seinem letzten Schwingfest?

Als ich das Teilnehmerfeld gesehen habe, habe ich gedacht: «Chrigu, ohne irgendeinen Ernstkampf vorher?» Da hat es ganz harte Brocken darunter. Unter anderem einer der Auswärtigen, Pirmin Reichmuth. Der wird ihm vermutlich die Suppe versalzen. Dazu eine kleine Geschichte: Am Eidgenössischen in Pratteln war Reichmuth völlig geknickt, nachdem er lange als König gehandelt worden war, doch der Schuss dann irgendwie nach hinten losging. Dann kam Chrigu zu ihm, umarmte ihn und sagte: «Komm, das ist doch nicht so schlimm.» Er tröstete ihn, wie es eben nur Chrigu kann. Die Pointe ist: Ein paar Gänge vorher verlor ebendieser Stucki gegen Reichmuth. Der war eigentlich schuld, dass Stucki den Titel nicht verteidigen konnte. Das muss man sich mal vorstellen – einen, der ihn geschlagen hat, umarmt er. Nebst der Aktion, bei der er Matthias Sempach nach dem Schlussgang des Eidgenössischen in Burgdorf 2013 auf den Kopf küsste, ist das für mich die typischste Szene, um zu veranschaulichen, wie er funktioniert.

Hier war Christian Stucki im August 2022 bei Albi Saner im TeleBärn-SportTalk zu Gast:

Quelle: BärnToday / Warner Nattiel

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

veröffentlicht: 10. Juni 2023 11:55
aktualisiert: 10. Juni 2023 16:36
Quelle: BärnToday

Anzeige
Anzeige
baerntoday@chmedia.ch