Spielerinnen schaufeln Schnee

Machen Stadt und FC Thun zu wenig für den Frauenfussball?

· Online seit 02.12.2023, 09:26 Uhr
Während die Stadt Thun einen Kredit von über drei Millionen Franken für die Frauenfussball-EM 2025 spricht, müssen Spielerinnen des Thuner Women's-Super-League-Teams vor dem eigenen Match Schnee schaufeln. Wird der Frauenfussball in Thun genug gefördert? Das sagen Beteiligte.
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Vergangenen Samstag bot sich den Zuschauerinnen und Zuschauern des Women's-Super-League-Spiels zwischen Thun und Rapperswil ein kurioses Bild: Weil der Rasen in der Thuner Stockhorn-Arena komplett schneebedeckt war, griffen auch Spielerinnen des Frauenteams Thun Berner Oberland (FTTBO) zur Schaufel. Wohlbemerkt nur solche, welche für die Partie nicht im Aufgebot standen. Trotzdem dürfte zumindest bezweifelt werden, ob sich Ähnliches auch bei einem höherklassigen Männerteam ereignen könnte.

Laut Damaris Oesch, Mediensprecherin des FC Thun, kann das durchaus auch bei den Trainings des grössten Fussballclubs in Thun vorkommen. «Fällt wie letzten Samstag eher wenig Schnee, greifen auch alle Spieler der 1. Mannschaft vor ihren Trainings zu den Schaufeln.»

Zur Erklärung: Das Frauenteam Thun Berner Oberland ist dem Quartierverein FC Rot-Schwarz Thun angesiedelt. Normalerweise bestreitet das Women's-Super-League-Team seine Spiele im Stadion Lachen. Aufgrund einer Tagung des Berner Fussballverbands, der am selben Tag in der Heimstätte des FC Thun stattfand, wurde das Spiel ins 10'000 Plätze fassende Stadion verlegt.

FC Thun legte auch Hand an

Damaris Oesch betont, dass auch Mitarbeitende der FC-Thun-Geschäftsstelle beim Schneeräumen vor dem Spiel des FTTBO Hand angelegt hätten. «Und das, obwohl der FC Thun Berner Oberland dem FC Rot-Schwarz bereits die Nutzung der Stockhorn-Arena und damit die komplette Organisation zur Verfügung gestellt hat.» Weiter sagt Oesch: «Solche partnerschaftlichen Lösungen zeigen exemplarisch, wie wichtig dem FC Thun Berner Oberland das Frauenteam vom FC Rot-Schwarz ist. Obwohl die beiden Teams nicht zum gleichen Club gehören, helfen und unterstützen wir einander.»

Der FC Rot-Schwarz macht dem FC Thun keinen Vorwurf. «Wir haben von Anfang an gewusst, dass wir die Stockhorn-Arena quasi zum Selbstkostenpreis benutzen dürfen. Der FC Thun verrechnet uns nur Dinge wie Strom, Wasser oder die Garderobenreinigung. Die Offerte für diese Leistungen war wirklich sehr korrekt», erklärt Samuel Stump, Präsident des Thuner Quartiervereins.

«Die beschriebene Situation in der Stockhorn-Arena ist sicher nicht schön. An diesem Beispiel sehen wir, dass wir noch viel zu tun haben», sagt die Thuner Gemeinderätin Katharina Ali-Oesch (SP). Ali-Oesch steht in der Stadtregierung der Direktion Bildung, Sport und Kultur vor.

Massnahmen ergreifen

Damit ähnliche Situationen in Zukunft möglichst vermieden werden können und der Frauenfussball in Thun professioneller wird, hat die Stadt verschiedene Massnahmen ergriffen. Attraktivere Trainingszeiten, die Sanierung des Fussballplatzes von Rot-Schwarz und ein spezielles Training für Mädchen und Frauen, das von allen lokalen Fussballvereinen gemeinsam organisiert wird, soll die Attraktivität des Frauenfussballs in der Region steigern. Zudem soll im Schulsport ein spezifisches Angebot «Fussball für Mädchen» eingeführt werden.

Nicht zuletzt sollen auch die drei Spiele der Frauenfussball-EM 2025, welche in Thun ausgetragen werden, zur grösseren Sichtbarkeit des Frauenfussballs beitragen. «Die drei Spiele in Thun werden sicher einen Boom auslösen», ist die Gemeinderätin überzeugt. Um das zu ermöglichen, nimmt die Stadt Thun ordentlich Geld in die Hand: Im Juni wurde ein Rahmenkredit von 3,65 Millionen Franken gesprochen – Bund und Kanton Bern übernehmen voraussichtlich zwei Drittel des Betrags, die restlichen 1,2 Millionen Franken bezahlt die Stadt.

Eingliederung steht im Raum

Viele Teams der Women's Super League wurden mittlerweile in den Männer-Club ihrer Stadt eingegliedert. So profitieren die Frauen-Teams finanziell vom Verein und werden für Fussballinteressierte durch gemeinsame Marketing-Aktionen mit den Männern sichtbarer.

Von 2009 bis 2014 war dies auch in Thun der Fall. Danach hatte der FC Thun laut Rot-Schwarz-Präsident Stump kein Geld mehr, um das Frauen-Team zu finanzieren. «Inzwischen ist es aber so, dass der Verwaltungsrat des FC Thun absolut der Meinung ist, dass der Frauen-Spitzenfussball den Platz erhalten soll, den er verdient. Soll der Frauen-Spitzenfussball in Thun und im Berner Oberland eine Zukunft haben, muss diese beim FC Thun liegen», hält Stump fest. Eine Übernahme durch den FC Thun müsse wirklich das Ziel sein.

Der FC Thun hat diesbezüglich zwar noch keine konkreten Pläne, es tönt aber zumindest so, als stehe man einer Wiedereingliederung des Frauenteams offen gegenüber: «Wir sind bestrebt, den Frauenfussball weiter zu fördern und arbeiten aktiv daran, dies in Zukunft noch sichtbarer zu machen», sagt Damaris Oesch.

Dass die Stadt den Frauenfussball zu wenig fördere, findet Samuel Stump nicht. «Natürlich hat man als Verein immer das Gefühl, die Stadt könnte mehr Unterstützung bieten. Aber mit der grossen Anzahl Sportvereine, welche in Thun ansässig sind, ist es klar, dass jeder Verein seinen Anteil beansprucht.» Letztendlich seien alle gefragt, um den Frauenfussball weiterzubringen: «Die Fussballvereine, die Stadt, aber vor allem auch der Fussballverband und die Sponsoren. Und nicht zuletzt die Frauen und Mädchen selbst, welche Fussball spielen wollen.»

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veröffentlicht: 2. Dezember 2023 09:26
aktualisiert: 2. Dezember 2023 09:26
Quelle: BärnToday

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