Verhandlung abgebrochen

Lohnstreit in Toblerone-Fabrik: «Das ist eine Frechheit von Mondelez»

· Online seit 18.04.2023, 19:00 Uhr
Die Stimmung in der Toblerone-Fabrik in Bern-Brünnen ist derzeit mies. Wie die Unia berichtet, hätten die Konzernverantwortlichen am Montag nach elf Minuten die Verhandlungen um eine Lohnerhöhung abgebrochen. Nun droht der Streit zu eskalieren.
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Der Weltkonzern Mondelez und die Belegschaft seiner Toblerone-Fabrik in Bern-Brünnen sind weiter uneins über Lohnerhöhungen. Mondelez habe die Verhandlungen abgebrochen, teilt die Gewerkschaft Unia am Dienstag mit. Der Konzern plane eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 1,8 Prozent, die Beschäftigten forderten aber eine Erhöhung von 6 Prozent. Dies wegen der Teuerung, aber auch weil in der Fabrik letztes Jahr ein 24/7-Schichtmodell eingeführt wurde. Das Toblerone-Werk in Bern-Brünnen hat rund 200 Beschäftigte.

Die Mondelez-Delegation habe den Angestellten mitgeteilt, dass der Konzern die Verhandlungen einseitig beendet hat. Wie die Unia berichtet, seien die Konzern-Vertreter nach elf Minuten einfach wieder rausspaziert.

Wir haben bei der Gewerkschaft Unia mit Johannes Supe, dem zuständigen Branchenleiter, gesprochen.

BärnToday: Wie haben Sie die Lohnverhandlungen in der Berner Toblerone-Fabrik erlebt?

Johannes Supe: Auf die erste Lohn-Forderung der Belegschaft hat der Konzern nicht reagiert. Als diese reklamierte, hat Mondelez 1,2 Prozent angeboten. Dies wiederum sorgte für mehr Entrüstung, worauf das Unternehmen 1,5 Prozent angeboten hat. An jenem Tag haben die Mitarbeitenden vor der Fabrik die Werksleitung minutenlang ausgepfiffen. Das ist auch für mich aussergewöhnlich.

Was dann gestern passiert ist, ist einfach nicht der Stil, den wir erwarten. Die Mondelez-Vertretung hat vor Ort mitgeteilt, es gebe nun 1,8 Prozent mehr Lohn. Damit seien die Verhandlungen beendet – auch ohne Einigung. Nach elf Minuten Monolog ist die Mondelez-Delegation aufgestanden und ist einfach rausspaziert.

Haben Sie schon oft Lohnverhandlungen erlebt, die so «geführt» wurden?

Nein. Die vier Verhandlungsrunden waren kein Dialog. Die Mondelez-Vertreter hatten nie viel zu sagen. Keine dieser Runden hat länger als eine Viertelstunde gedauert. Dass sie am Ende keine Notwendigkeit sehen, weiterhin mit den Angestellten zu verhandeln – das ist schon eine echte Frechheit. Das hat es so in diesem Toblerone-Werk noch nie gegeben und ist auch sonst unüblich.

Ist das typisch für Mondelez? 

Ich kenne in der Schokoladenindustrie andere Unternehmen, welche die Löhne stärker erhöhen. Dass Mondelez hier eine Lohnerhöhung von weniger als 2 Prozent anbietet, ist besonders bitter, denn der Konzern ist hochrentabel und hat vergangenes Jahr 2,7 Milliarden Dollar Reingewinn gemacht. Und er hat letztes Jahr in Bern-Brünnen so viel Toblerone hergestellt wie noch nie.

Wie haben die Angestellten der Berner Toblerone-Fabrik reagiert?

Die beiden, die aus der Belegschaft am Verhandlungstisch sassen, waren schockiert. Ich habe sie noch nie so sauer erlebt. Das sind Leute, die seit 20 Jahren im Toblerone-Werk in Bern arbeiten. Wir haben auch mit anderen Angestellten gesprochen. Die Leute sind wütend.

Ist die Lohnverhandlung damit vom Tisch?

Die Sache ist auf gar keinen Fall vorbei. Für uns ist klar, dass der Konzern hier versucht, die Verhandlungen abzuwürgen. Mondelez will seine Arbeiter einfach vom Tisch weghaben. Das lassen wir uns nicht bieten. Wir haben der Konzernleitung für kommenden Montag eine Einladung zu einem neuen Verhandlungstermin geschickt. Sollte der Konzern da nicht erscheinen, werden wir mit der Belegschaft weitere Schritte besprechen.

Nimmt Mondelez in Ihren Augen in Kauf, dass die Mitarbeitenden in Bern-Brünnen kündigen?

Das glaube ich nicht. Mondelez sucht händeringend qualifiziertes Personal. Auch in Bern haben in den vergangenen Monaten mehrere Angestellte gekündigt. Aber: Der Konzern treibt die Leute mit einer wirklich seltsamen Arroganz geradezu in Streiks. Das erleben wir derzeit gerade in Norddeutschland, in einer Fabrik für «Philadelphia»-Streichkäse.

Was nervt Sie mehr: das Lohnangebot oder das Verhalten von Mondelez?

Ich sags mal so: Was schlimmer ist, sind die 1,8 Prozent mehr Lohn. Denn das heisst: Die Leute haben unter dem Strich weniger Geld. Das sind Leute, die Mondelez letztes Jahr mehr hat arbeiten lassen als je zuvor – mit neuem Vier-Schichten-Modell. Mich persönlich macht es rasend, dass die Vertretung von Mondelez nicht in der Lage war, einen Dialog zu führen. Dies ist einfach kein Umgang – weder mit uns als Gewerkschaft, aber schon gar nicht mit den Mitarbeitenden im Berner Toblerone-Werk.

(awu)

veröffentlicht: 18. April 2023 19:00
aktualisiert: 18. April 2023 19:00
Quelle: BärnToday

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